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Johannes-Urzidil-Medaille

Die Johannes-Urzidil-Medaille

Foto der Urzidil-Medaille

Die Johannes-Urzidil-Medaille wird vom Präsidenten der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste e.V. in München verliehen. Sie ehrt Förderer und Unterstützer der sudetendeutschen Kultur, Kunst und Wissenschaften in In- und Ausland. Der jeweilige Präsident ist traditionell Träger der Medaille; ansonsten werden mit ihr auswärtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgezeichnet, die die Arbeit der sudetendeutschen Akademie unterstützen. Somit ist die Urzidil-Medaille kein Nachwuchs-Förderung wie der Adolf-Klima-Preis und keine vorwiegend interne Auszeichnung wie die Medaille Pro Meritis. Sie soll darüber hinaus das Gedenken an den sudetendeutschen Schriftsteller Johannes-Urzidil wachhalten, das jüngste Mitglied des literarischen ‚Prager Kreises‘, das später im US-amerikanischen Exil die Erinnerung an Kultur und Werte der verlorenen Heimat wachhielt, um sie für Gegenwart und Zukunft fruchtbar zu machen. Seine Schriften sind geprägt von übernationalem, europäischem Denken, der Förderung der klassischen Kultur und der christlichen Humanität.

Die etwa 6 cm große, runde Medaille zeigt auf der Vorderseite im Relief den Schriftsteller im Dreiviertelportrait mit der Umschrift ‚Johannes-Urzidil-Medaille‘. Sie ist versilbert im Gedenken an die reichen Bodenschätze des Sudetenlandes, insbesondere an seine Silbervorkommen (v.a. Erzgebirge, Egerland), und mit einer Glasrosette geschmückt, die auf die alte und innovative Glasproduktion in Nord(west)böhmen (Gablonz etc.) hinweist. Auf der Rückseite ist das vereinfachte Logo der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste mit entsprechender Umschrift eingraviert. Die Medaille hängt am schwarz-rot-schwarzen Ordensband, das auf die Farben der Sudetendeutschen Bezug nimmt. Die Medaille wurde 2025 gestiftet, im 55. Todesjahr von Johannes Urzidil.

Zur Person

Johannes Urzidil wurde am 3. Februar 1896 in Prag geboren und entstammte einer katholischen, deutsch-tschechisch-jüdischen Familie. Sein deutschnational orientierter Vater war Eisenbahnverwaltungsbeamter aus Schippin/Šipín bei Konstantinsbad/Konstantinovy Lázně, seine Mutter stammte aus Prag, wo Johannes mit seinen Halbgeschwistern aufwuchs. Nach dem frühen Tod der Mutter heiratete der Vater 1903 die nationalbewusste Tschechin Marie Mostbeck. Johannes sprach daher von klein auf sowohl Tschechisch als auch Deutsch, folgte aber der langen väterlichen Familientradition, in Deutsch zu schreiben. Noch während der Schulzeit am deutschen Gymnasium in Prag veröffentlichte Johannes erste Gedichte im ‚Prager Tagblatt‘ und übersetzte tschechische Lyrik ins Deutsche. In den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts befreundete er sich mit Max Brod, Franz Kafka, Felix Weltsch, Paul Kornfeld, Franz Werfel und Ludwig Winder und galt bald als jüngstes Mitglied des bekannten literarischen ‘Prager Kreises‘, der sich im legendären Café Arco traf. Aber auch mit tschechischen Schriftstellern wie den Brüdern Josef und Karel Čapek verband ihn eine enge Freundschaft.

Durch den Militärdienst ab 1916 unterbrochen, studierte er zwischen 1914 und 1918 an der deutschen Prager Universität Germanistik, Slawistik und Kunstgeschichte und arbeitete nach dem Ende des Weltkriegs an der Deutschen Botschaft in Prag als Übersetzer und Pressebeirat sowie als Korrespondent verschiedener in- und ausländischer deutschsprachiger Blätter. Der Gründung der Tschechoslowakischen Republik 1918 stand er positiv gegenüber und pflegte freundschaftliche Kontakte zu Tomáš G. Masaryk und Edvard Beneš – mit letztem freilich nur bis 1943. Ansonsten kann er nicht als ein politischer Mensch gelten, wenngleich er wertekonservativ dem Ideal der Habsburger Monarchie und dem Vielvölkerstaat verbunden blieb.

1922 heiratete er Gertrude Thieberger, die aus einer jüdischen Rabbiner- und Gelehrtenfamilie stammte und selbst Lyrikerin war. Somit galt er den Nationalsozialisten als ‚Nichtarier‘ (ab 1935 als ‚Volljude‘). Das wurde ihm schon 1933 zu einem gravierenden Problem. Er verlor im Februar 1934 seine Stelle an der Deutschen Botschaft, schrieb aber zunächst noch im ‚Prager Tagblatt‘ und in der ‚Bohemia‘ weiter und verurteilt in den Jahre 1936 bis 1938 in der Auslandspresse Hitler und seine politischen Aktionen, so auch folgerichtig den Anschluss Österreichs. Die Sommermonate jener Jahre verbrachte er fern von Prag im Böhmerwald, nicht weit von Adalbert Stifters Geburtsort Oberplan/Horní Planá. Ende Juni 1939, drei Monate nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Böhmen und Mähren, floh er über Italien nach Großbritannien, um 1941 in die USA auszuwandern, wo er sich in New York niederließ. Da dort seine wirtschaftliche Grundlage mehr als prekär war, arbeitete er als Lederkunsthandwerker und verdiente Geld durch seine Schriftstellerei.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erreichte er durch seine Erzählungen und Romane vor allem bei den Sudetendeutschen, deren Schicksal er jetzt teilte, wachsende Bekanntheit. Sein Medium war und blieb die deutsche Sprache. Finanzielle Absicherung erreichte er 1951, als er für die ‚Österreich-Abteilung‘ des Senders ‚Voice of America‘ arbeitete. Lese- und Vortragsreisen führten ihn nun durch Europa. Auf einer solchen starb er am 2. November 1970 in Rom – Goethes Welthauptstadt – und wurde dort auf dem Campo Santo Teutonico beigesetzt.

Seine große Zeit als Schriftsteller erfolgte seit Mitte der 1950er Jahre, in denen er sich bei seinen deutschsprachigen Lesern größerer Beliebtheit erfreuen konnte. In New York waren seine bekanntesten Werke ‚Die verlorene Geliebte‘ (1956), ‚Prager Tryptichon‘ (1960) und ‚Goethe in Böhmen‘ (21962) entstanden. Außerdem verfasste er dort eine große Zahl an Arbeiten und Essays, oft über böhmische Themen oder Dichter, die ihm nahestanden – von Goethe bis Walt Whitman. Seine schriftstellerische Fähigkeit, existentielle Herausforderungen des Menschen in ihrer ganzen Dramatik schildern zu können, überzeugte die literarische Welt. Im Mittelpunkt seines lyrischen Werkes standen seine Erinnerungen an die Prager Heimat und ihre bedeutenden kosmopolitischen Vertreter der Literatur. Max Brod bezeichnete ihn daher als den „großen Troubadour jenes für immer versunkenen Prags“; dabei waren die präzisen Schilderungen seines Erinnerns, gespickt mit feinem Humor und zarter Ironie, kein nostalgischer Selbstzweck, sondern seinen tiefsten kulturellen und gesellschaftlichen Überzeugungen geschuldet. Johannes Urzidil darf bis heute als großer Brückenbauer gesehen werden – zwischen der untergegangenen Welt vor dem Ersten Weltkrieg, die er in ihrer Liebenswürdigkeit schilderte, und der Nachkriegszeit nach 1945 – wie auch zwischen den verschiedenen Nationen und Kulturen. „Ich bin hinternational“, pflegte er zu sagen; „hinter den Nationen – nicht über- oder unterhalb – ließ sich leben und durch die Gassen und Durchhäuser streichen.“

Etliche Mitglieder der Sudetendeutschen Akademie haben sich in den letzten Jahrzehnten in Vorträgen und Veröffentlichungen mit Urzidil beschäftigt. Exemplarisch seien hier der ehemalige Generalsekretär, Prof. Richard W. Eichler/München, Prof. Dr. Ingeborg Fiala-Fürst/Olomouc und kürzlich Prof. Dr. Wynfried Kriegleder/Wien herausgegriffen.